Lagarde: Enteignung russischer Assets? Was bedeutet das für Bitcoin?
Lagarde betont im Streit um eingefrorene russische Vermögen Zinserträge statt Enteignung des Hauptbetrags. Ist Zensurresistenz für Bitcoin weiter gegeben?
EU nutzt Zinserträge („Windfall-Profite“) aus eingefrorenen russischen Vermögen – der Hauptbetrag bleibt blockiert.
Lagarde pocht auf Rechtsgrundlagen und Notenbank-Unabhängigkeit; über den Hauptbetrag entscheiden die Regierungen.
Bitcoin: Self-Custody ist zensurresistent, Sanktionen greifen jedoch an Börsen und Stablecoins.
Im einem kurzen Interview mit Fox News verweist Christine Lagarde auf eine „Enteignung“ russischer Staatsvermögen in Europa. Zeit für eine Einordnung: Was hat die EZB-Präsidentin tatsächlich gesagt? Wo steht die EU in der Debatte um die eingefrorenen russischen Zentralbank-Assets (rund 300 Mrd. Euro)? Und vorallem: was heißt das alles für das Bitcoin-Narrativ „Zensurresistenz“?
Stand der Dinge
Im Interview mit Fox News wurde Christine Lagarde mit der Forderung nach „Enteignung“ russischer Staatsvermögen in Europa gerahmt. Der belastbare Stand ist nüchterner: Zentral ist die Unterscheidung zwischen Hauptbetrag und Erträgen („windfall profits“).
Die EU leitet seit 2024/25 Zinserträge aus immobilisierten russischen Zentralbank-Geldern zur Unterstützung an die Ukraine weiter ohne den Hauptbetrag anzutasten. Mitte August 2025 meldete die EU-Kommission weitere 3,7 Mrd. Euro aus solchen Erträgen für Kiew.
Auch transatlantisch ist der Rahmen klar: Der G7-ERA-Kredit (bis zu 50 Mrd. US-Dollar) wird ebenso mit künftigen Erträgen der eingefrorenen Assets bedient – ein Kompromiss statt Entzug des Hauptbetrags, was einer juristisch riskanten Konfiskation entspräche.
Heikler Punkt bleibt nämlich, ob und wie der Hauptbetrag (größenordnungsmäßig 300 Mrd. Euro) jemals rechtssicherkonfisziert werden könnte. Lagarde selbst verweist auf Völkerrecht und Eigentumsschutz – eine Entscheidung darüber liegt bei den Regierungen, nicht bei der EZB.
Was Lagarde wichtig ist
Im Januar und März 2025 warnte Lagarde wiederholt vor politischem Druck auf Notenbanken und plädierte für institutionelle Unabhängigkeit – auch mit Blick auf den Streit in den USA um die Fed. Sie sprach von „de-facto in Frage gestellter“ Unabhängigkeit und möglichen Instabilitäten bei weiterer Politisierung, ohne daraus eine Blanko-Legitimation für juristisch fragwürdige Schritte abzuleiten.
Zur Asset-Debatte blieb sie – anders als so mancher Kommentar suggeriert – bei der Linie „Rechtssicherheit zuerst“. Öffentlich dokumentierte Aussagen, sie fordere die Konfiskation der gesamten 300 Milliarden, gibt es nicht; vielmehr verweist sie auf die Zuständigkeit der Regierungen. Die dokumentierte Linie bleibt die Nutzung der Erträge, während über den Hauptbetrag politisch-rechtlich weiter gestritten wird.
Faktisch liegen die meisten immobilisierten Gelder im EU-Finanzsystem. Die politische Diskussion über Konfiszierung des Hauptbetrags hält an – mit starken rechtlichen Vorbehalten (Eigentumsschutz, Präzedenzfälle, Gegensanktionen). Analysen verorten das Spektrum von „nur Erträge“ bis „voller Zugriff“, warnen aber vor Risiken für Rechtsstaatlichkeit und Standortvertrauen, kanalisiert u. a. über European Peace Facility und Ukraine Facility.
Gleichzeitig treten neue Vorschläge auf (etwa die Einbindung in Friedensverhandlungen oder als Verhandlungsmasse), doch auch hier gilt: Nichts davon ist Beschlusslage der EU-Institutionen. Der Hauptbetrag bleibt nach wie vor unberührt.
Und Bitcoin? Zensurresistenz ja, aber keine Immunität gegen Sanktionen
Schützt also nur noch Bitcoin wirklich vor Enteignung? Richtig ist: Niemand kann Coins per Dekret aus einer Self-Custody-Wallet ziehen; das Protokoll selbst kennt kein Einfrieren. Diese Trennung von Netzwerk und Nutzersphäre ist schließlich Kern des Bitcoin-Narrativs.
Aber: Ebenso richtig ist, dass Staaten erfolgreich die Infrastruktur drumherum sanktionieren können wie Börsen, Zahlungswege, Stablecoins, Infrastrukturen. So erst dieses Jahr: Die EU/UK weiten Russland-Sanktionen auch auf Krypto-Dienstleister aus.
Die OFAC, Office of Foreign Assets Control, ziehen Listen, frieren Schnittstellen ein und erzwingen somit u. A. Wallet-Sperren wie etwa bei Tether im Fall Garantex: Die russische Börse Garantex wurde in einer multinationalen Aktion zerschlagen; Tether fror im März Wallets mit rund 28 Mio. US-Dollar USDT ein – ein Eingriff außerhalb des Bitcoin-Protokolls, aber mit massiver Wirkung auf die Nutzbarkeit.
Das Netzwerk bleibt damit zwar technisch neutral; der Zugriff allerdings auf Liquiditätspools und On/Off-Ramps kann dennoch massiv eingeschränkt werden. Bitcoin schützt also vor zentraler Konfiskation, nicht aber vor Sanktionsfolgen entlang der Wertschöpfungskette. Das ist ein wichtiger Unterschied in der aktuellen Debatte.
Einordnung
Überzogen ist die Lesart, Lagarde selbst pushe jetzt die „Enteignung“ der kompletten 300 Milliarden. Dokumentiert ist vielmehr: Erträge fließen (politischer Beschluss), der Umgang mit dem Hauptbetrag bleibt juristisch offen, und Lagarde verweist genau darauf.
Berechtigt ist die Sorge um Institutionen-Unabhängigkeit: Die Politisierung von Zinsschritten – in Europa wie in den USA – ist 2025 ein Top-Risiko, das Lagarde selbst adressiert.
Relevanz für Bitcoin: Wer Vermögenszugriff und Sanktionsrisiko trennt, versteht besser, wo Bitcoin schützt – und wo staatliche Machtfaktoren weiterhin wirken. Fälle wie Garantex/Tether zeigen die Grenzen in der Praxis.
Die EU verfolgt aktuell eine Ertrags-Lösung bei immobilisierten russischen Assets, nicht die Konfiszierung der „300 Milliarden“. Lagarde pocht öffentlich auf Rechtsgrundlagen und Unabhängigkeit, nicht auf einen Schnellzugriff auf den Hauptbetrag.
Für Bitcoin ist die Debatte ein zweischneidiger Beleg: Ja, Self-Custody bleibt zensurresistent – zugleich zeigt 2025, wie Sanktionen an Börsen, Stablecoins und Zahlungsbrücken Friction erzeugen. Wer das auseinanderhält, versteht, warum Bitcoin kein politisches Allheilmittel, aber trotzdem ein technisch robustes Eigentumsvehikel ist – gerade in Zeiten politischer Zumutungen.
Wer sich unabhängig von der politischen Debatte grundsätzlich in Bitcoin einarbeitet, findet hier die praxisnahe Anleitung Bitcoin kaufen sowie den Überblick Kryptowährungen kaufen; und wer Anbieter vergleichen will, wird im Krypto-Börsen-Vergleich fündig.
Pia ist Web3- und AI-Enthusiastin. Als studierte Geisteswissenschaftlerin liebt sie es, den Zeitgeist innerhalb der Gesellschaft zu beobachten und zu analysieren. Ehemalig im Think Tank und Forschungszentrum der Frankfurt School of Finance als Bitcoin-Talent und NFT-Talent im Frankfurt Blockchain Center. Wenn sie nicht gerade schreibt, surft sie gerne am Atlantik.
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