Makroanalyse: Bullrun oder Bärenfalle? Liquidität flutet Markt, Rezession lauert

Fed stoppt QT und senkt Zinsen, der Dollar wird schwächer, XRP-ETF kommt gut an und Coinbase-Premium-Index wieder positiv. Doch Rezessionsangst und Japan könnten Probleme machen. Bitcoin und Ethereum im Härtetest.

Pia Messerschmitt von Pia Messerschmitt Updated 6 Min. read
Makroanalyse: Bullrun oder Bärenfalle? Liquidität flutet Markt, Rezession lauert

Das Wichtigste in Kürze

  • Fed senkt den Leitzins und stoppt das Bilanz-Schrumpfen – Liquidität kehrt zurück.
  • US-Dollar-Index DXY verliert an Stärke, Russell 2000 auf Rekordniveau.
  • Bitcoin pendelt um 93.000 US-Dollar, Ethereum hält sich über 3.200 US-Dollar und wirkt robust.
  • Coinbase Premium Index signalisiert: US-Anleger steigen wieder aggressiver in Bitcoin ein.
  • Institutionelle Schubkraft durch XRP-Spot-ETFs.
  • Frühindikatoren in den USA und die japanische Notenbank mahnen trotzdem zur Vorsicht.

Die Krypto-Märkte stehen so nah an der Kante wie lange nicht: Auf der einen Seite die Fed, die QT stoppt, den Leitzins senkt und wieder Liquidität ins System pumpt. Dazu ein schwächerer US-Dollar, ein rekordnaher Russell 2000, ein positiver Coinbase-Premium und frische Nachfrage über neue ETFs. Das sind alles bullishe Nachrichten. Auf der anderen Seite verdichten sich aber die Warnsignale: wachsende Rezessionsgefahr und ein jahrzehntelang aufgebauter Yen-Carry-Trade, der nun auf der Kippe stehen könnte. Zwischen diesen Polen muss sich der Kryptomarkt derzeit behaupten. Wohin geht die Reise?

Fed-Sitzung: Zinswende mit heftigem Liquiditätsschub?

Die US-Notenbank Federal Reserve hat am 10. Dezember 2025 wie erwartet den Leitzins um 25 Basispunkte auf eine Spanne von 3,50 bis 3,75 Prozent gesenkt. Damit setzt die Fed ihren seit Herbst 2024 eingeschlagenen Kurs eines vorsichtigen Lockerungszyklus fort und signalisiert zugleich, dass sie wegen hartnäckiger Restinflation nicht bereit ist, das Gaspedal voll durchzudrücken.

Entscheidender für die Kryptomärkte als der reine Zinsschritt ist jedoch der Liquiditätsteil der Entscheidung: Parallel zur Zinsanpassung kündigte die Fed an, ab dem 12. Dezember wieder kurzlaufende US-Staatsanleihen (T-Bills) zu kaufen – im Umfang von rund 40 Milliarden US-Dollar, um Spannungen zu entschärfen. Laut Fed soll damit verhindert werden, dass Geldmarktsätze aus dem Ruder laufen, nachdem die Kombination aus massivem T-Bill-Angebot und politisch bedingtem Liquiditätsentzug den Finanzsektor sichtbar strapaziert hatte.

Gleichzeitig ist bereits seit dem 1. Dezember Schluss mit „Quantitative Tightening“ (QT): Die Fed hat ihr Bilanz-Schrumpfungsprogramm formal beendet, nachdem sie seit 2022 rund 2,4 Billionen US-Dollar an Anleihen auslaufen ließ und ihre Bilanz auf gut 6,5 Billionen US-Dollar zurückgefahren hat. Das System scheint an die Grenze knapper, aber noch ausreichender Reserven gestoßen zu sein; klassische Voraussetzung dafür, dass Risikoanlagen wieder Rückenwind durch Liquidität bekommen.

Dieser Pivot zurück zur Bilanzausweitung ist für den Kryptomarkt historisch betrachtet genau die Art Umfeld, in dem neue Rallyes gestartet sind – auch wenn das natürlich keine Garantie für die Zukunft ist. Was genau das für den Bitcoin-Kurs bedeuten könnte, könnt ihr hier lesen: Bitcoin Kurs Ausblick 2025: Was Analysten bis Ende des Jahres erwarten

Risk-On? Russell 2000, DXY und der aktuelle Bitcoin-Kurs

Die klassische Risk-On-Ecke der traditionellen Märkte bestätigt das Bild: Der US-Nebenwerteindex Russell 2000 ist nach der Fed-Sitzung auf ein Rekordniveau von über 2.600 Punkten gestiegen und notiert damit über den Hochs von 2021. Small Caps gelten als besonders zinssensibel – dass sie nun vorneweg laufen, passt zum Narrativ einer zurückkehrenden Risikobereitschaft.

Parallel dazu hat der US-Dollar an Stärke eingebüßt: Der US-Dollar-Index (DXY), der den Greenback gegen einen Korb wichtiger Währungen misst, ist am 11. Dezember auf 98,35 Punkte gefallen – nach Werten um oder leicht über 100 Punkten noch Ende November. Ein schwächerer Dollar reduziert die Attraktivität zinstragender Dollar-Anlagen und schafft typischerweise Raum für Zuflüsse in Sachwerte wie Aktien, Gold – und eben Kryptowährungen.

Bitcoin selbst wirkt nach dem jüngsten Fed-Termin allerdings noch etwas orientierungslos: Laut CoinGecko liegt der BTC-Kurs am 11. Dezember bei rund 93.000 US-Dollar. In den vergangenen sieben Tagen schwankte der Kurs zwischen 89.245 und 92.723 US-Dollar, während Bitcoin im 30-Tage-Vergleich etwa 10 Prozent an Wert verloren hat.

Ethereum wirkt aktuell robuster als Bitcoin

Während Bitcoin konsolidiert, sticht Ethereum im aktuellen Umfeld leicht positiv heraus. Laut CoinGecko handelt ETH am 11. Dezember bei rund 3.250 US-Dollar und damit komfortabel über der psychologisch wichtigen 3.000-US-Dollar-Marke. On-Chain-Daten und Kursstatistiken zeigen, dass Ethereum in den vergangenen Wochen tendenziell etwas robuster war als Bitcoin und insbesondere in der letzten Woche eine leichte Outperformance verzeichnet hat.

Coinbase Premium Index: US-Nachfrage kehrt zurück

Ein starkes bullish zu wertendes Signal kommt vom Coinbase Bitcoin Premium Index. Der Indikator misst die Differenz zwischen dem BTC-Kurs auf der US-Börse Coinbase und dem globalen Bitcoin-Kurs; ein positiver Wert spricht für stärkere US-Nachfrage. Nach einer Phase deutlich negativer Werte im November ist der Index Ende November/Anfang Dezember wieder ins Plus gedreht – und hat sich in den vergangenen Tagen stabil positiv entwickelt. ´

XRP-Spot-ETF kommt gut an

Mit dem Start des XRP-Spot-ETF „XRPC“ auf dem Nasdaq am 13. November ist ein weiterer großer Altcoin ins ETF-Regal gewandert. Bereits in den ersten Tagen nach Start konnte der ETF hohe Mittelzuflüsse und ein überdurchschnittlich hohes Handelsvolumen verbuchen.

Die andere Seite der Medaille: Rezessionsgefahr

So bullisch viele dieser Signale sind – die Makrofront liefert auch deutliche Warnhinweise. Ein oft unterschätzter Indikator sind die Bestellungen schwerer LKW in den USA. Nach Daten von ACT Research fielen die Bestellungen von Class-8-Trucks im November auf rund 36.000 Einheiten und lagen damit etwa 33 Prozent unter dem Vorjahreswert. Es war der fünfte Monat in Folge mit rückläufigen Jahresvergleichen – ein Muster, das historisch meist mit nachlassender Investitionstätigkeit und bevorstehenden Konjunkturabschwüngen einherging.

Yen-Carry-Trade unter Druck

Hinzu kommt der Blick nach Japan: Für die Sitzung der Bank of Japan am 19. Dezember rechnen viele Marktteilnemer mit einer weiteren Straffung – möglicherweise gar einer Anhebung des kurzfristigen Leitzinses und explosiven Anleiherenditen in Japan, Coinspeaker berichtete. Das würde den seit Jahren beliebten Yen-Carry-Trade unter Druck setzen, bei dem sich Investoren billig in Yen verschulden und in höher verzinste Anlagen weltweit (auch in Krypto) investieren. Eine Umkehr dieses Flusses könnte zumindest temporär Liquidität aus Risikoanlagen abziehen.

Fazit zur Krypto-Makroanalyse: Bullen- oder Bärenmarkt?

Fasst man die aktuellen Datenpunkte zusammen, ergibt sich ein ambivalentes Bild; aber eines, das sich eher wie eine späte Phase eines Bullenmarkts mit erhöhter Fragilität liest als der Beginn eines neuen Krypto-Winters. Das findet auch JP Morgan und widerspricht explizit dem Narrativ eines neuen Krypto-Winters und argumentiert, dass das aktuelle Umfeld eher für höhere Volatilität als für einen strukturellen Bärenmarkt spricht.

Auf der positiven Seite stehen: eine Fed, die QT beendet, die Zinsen senkt und mit T-Bill-Käufen aktiv wieder Liquidität in den Markt schiebt, ein schwächerer US-Dollar und ein starkes Risk-On-Signal, der Coinbase Premium Index, der zurückkehrende US-Nachfrage nach Bitcoin zeigt, sowie strukturelle Nachfragekanäle durch neue ETFs.

Dem gegenüber stehen jedoch auch Rezessionsrisiken und ein mögliches Ende des globalen Yen-Carry-Trades.

Ob man das Gesamtbild als bullish oder bearish bewertet, ist letztlich eine individuelle Risikoentscheidung – und keine Frage, die sich seriös vorausschauen lässt.

Marktberichte
Pia Messerschmitt

Pia ist Web3- und AI-Enthusiastin. Als studierte Geisteswissenschaftlerin liebt sie es, den Zeitgeist innerhalb der Gesellschaft zu beobachten und zu analysieren. Ehemalig im Think Tank und Forschungszentrum der Frankfurt School of Finance als Bitcoin-Talent und NFT-Talent im Frankfurt Blockchain Center. Wenn sie nicht gerade schreibt, surft sie gerne am Atlantik.

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